Helmut.
Bäcker.
Berufung.
Alles beginnt in einer kleinen Landbäckerei in Strobl am Wolfgangsee: dort absolviert Helmut Gragger seine Lehre als Bäcker und Konditor. Bäcker ganz einfach deshalb, weil das 1986 der einzige freie Lehrplatz war. Erst über die Jahre entwickelt sich der Beruf zu seiner Berufung. Nach der Lehre führt ihn die Arbeit von verschiedenen Bäckereien in unterschiedlichen Ländern schließlich in einen internationalen Lebensmittelkonzern. Doch statt die nächste Sprosse auf seiner Karriereleiter zu werden, leitet dieser Job eine persönliche Wende ein: die aufkeimende Gentechnik und die Verwendung von Backzusätzen lassen Helmut umdenken. Ist die industrielle Fertigung tatsächlich der einzige Weg, um als Bäcker erfolgreich sein zu können?
Helmut beschließt für sich: nein. Es muss auch einen anderen, einen natürlicheren, einen ursprünglicheren Weg geben. So kommt es, dass er seinen gut bezahlten Konzernjob an den Nagel hängt, sein gesamtes Geld in die erste, eigene Backstube in einer alten Mühle in Ansfelden bei Linz steckt und 1997 den Weg in die Selbständigkeit wagt. Sein Rezept für das beste Brot? Ausschließlich biologische Rohstoffe, Handarbeit, das Backen mit Natursauerteig – und natürlich der von ihm selbst konstruierte Holzofen, der gemeinsam mit den besten Zutaten dafür sorgt, dass das Brot wieder wie früher schmeckt. Während Helmut an traditionellen wie neuen Rezepten tüftelt, übernimmt seine Frau Karin die kaufmännische Leitung der Bäckerei. Zunächst werden das Bio Brot und Gebäck aus dem Holzofen im Umland und in der Linzer Filiale verkauft, dann kommen Wiener Wochenendmärkte dazu.
Schließlich trifft Helmut einen Wiener Unternehmer, der ein großer Genießer guten Brotes ist. Die beiden reden über die Brotliebe der Franzosen, Handarbeit und Holzöfen – und kommen auf die legendäre Pariser Bäckerei Poilâne zu sprechen. Der Brotliebhaber fragt Helmut, ob er nicht ein ähnlich gutes Brot backen kann. Und Helmut kann. Vier Monate lang arbeitet er Tag für Tag an der Rezeptur des Brotes. Bis er sie perfektioniert hat: im Sommer 2007 ist das „P“-Brot“ als Hommage an Poilâne geboren. Schnell wird das Weizenbrot zum Lieblingsbrot vieler Kundinnen und Kunden und startet eine kleine Revolution. Weil es nämlich bis zu diesem Zeitpunkt in Wien ein solches Brot nicht (mehr) gibt: Bio Zutaten, teilweise sogar in Demeter-Qualität, traditionell von Hand geformt und im Holzofen gebacken. Ein Brot, das Erinnerungen an früher weckt, mit einer kräftigen Kruste, die nach Röstaromen duftet, und einer weichen Krume, die saftig und vollmundig schmeckt. Die beiden beschließen eine Zusammenarbeit. Drei Jahre dauert es, bis der tonnenschwere Holzofen in der Wiener Innenstadt in Betrieb genommen werden darf, aber im Sommer 2010 eröffnet Wiens erste Holzofenbäckerei in der Spiegelgasse 23. Heute gibt es vier Standorte der Holzofenbäckerei Gragger & Cie in Wien.
Immer schon treibt Helmut auch ein hoher, sozialer Anspruch an. Nur gutes Brot zu backen, ist ihm zu wenig. Er ist davon überzeugt, dass Brot die Welt verändern kann, zumindest im Kleinen. Schon in Oberösterreich ermöglicht er sozial benachteiligten und lernschwachen Jugendlichen eine Ausbildung als Bäcker. Ab 2015 setzt er seine Expertise in Schwellen- und Entwicklungsländern ein: Mikrobäckereien werden zu Nahversorgern und gleichzeitig zu Arbeits- und Ausbildungsplätzen für Menschen in benachteiligten Regionen. 2019 verwirklicht er schließlich gemeinsam mit Christoph Chorherr und Anna Holzinger Wiens erste Social Business Bäckerei, die „Gragger & Chorherr Holzofenbäckerei“, die nicht nur gutes Brot bäckt, sondern am Arbeitsmarkt benachteiligten Menschen eine Chance gibt, indem sie eine gute Ausbildung erhalten, um ihr volles Potential entfalten zu können. Zusätzlich werden mit dem Gewinn Schulprojekte in Südafrika unterstützt.
Helmuts nächste Vision? Brot aus einem solarbetriebenen Ofen – eine Idee, die ihn schon lange beschäftigt.