Mai 2017, Helsinki: Marktbericht. Gastbeitrag von Mischa Reska.
Das Brot hat mich in Finnland am meisten beeindruckt. Wie es um das Brot eines Landes steht, bekommt man erst richtig mit, wenn man dort eine Küche zur Verfügung hat. Das beste Brot habe ich in Finnland im Supermarkt gekauft. Selbst als ‘eingefleischter’ Markt-Fan und Supermarkt-Gegnerin muss ich das zugeben. In Helsinki gibt es so gut wie keine Lebensmittel-Einzelhandelsgeschäfte, also auch keine Bäckereien. Wenn, dann ganz vereinzelt Konditoreien, die auch Brot anbieten.
Die Kultur der 'Malls'
Lebensmittel werden in Finnland so gut wie ausschließlich im Supermarkt gekauft. Die meisten Einkäufe werden in Malls erledigt, in denen für viele Finn_innen auch der Großteil ihres Soziallebens stattfindet. Kurz gesagt, meist gibt es in den Vororten nichts anderes als die Malls. Es hat aufgrund der Stadtentwicklung auch nie eine dörfliche Struktur in unserem Sinn mit einem Marktplatz gegeben. Die Region um Helsinki ist beinahe aus dem Nichts und rasch gewachsen. Der Großteil der Häuser in den Vorstädten wurde erst ab den 1960er Jahren gebaut und da kam der Supermarkt gleich dazu. Die Kultur ging in ländlichen Regionen beinahe direkt vom Brotbacken im eigenen Haus zum Supermarkt über. Die allerbesten Bäckereien liefern meiner Erfahrung nach an die etwas teureren Supermarkt-Ketten. Nicht an die Bioläden, die im Stadtzentrum von Helsinki in jüngster Zeit entstanden sind und auch nicht an die verbliebenen zwei alten Markthallen.
Finnisches Brot wird zum Großteil aus Roggen gebacken
Eine sehr verbreitete Art ist Ruisreikäleipä (Ruis – Roggen, Reikä – Loch, Leipä – Brot). Ein flacher runder Fladen mit dem charakteristischen Loch in der Mitte. Die Laibe wurden an einer Stange an der Zimmerdecke aufbewahrt. Es stammt ursprünglich aus Westfinnland, wo in einem Haushalt nur wenige Male im Jahr der Backofen angeheizt wurde. Nur ganz frisch ist dieses Brot nicht hart, aber es soll eine sehr feste Konsistenz haben. Zurück in Österreich hatte mir fast jedes Brot zu wenig Biss. Ruisreikäleipä ist beinahe unschlagbar! Nur Kaurareikäleipä ist noch genialer, der selbe Brottyp nur aus Hafer gebacken.
Zu Gravad Laks passt süßes Brot!
Eine besondere Roggenbrot-Spezialität aus der zerklüfteten Küstenregion in Südwestfinnland ist Saaristolaisleipä (wörtlich - das Brot der Inselbewohner). Ein fast schwarzes Kastenbrot, das am ehesten an Pumpernickel erinnert, aber anders als dieses mit einer speziellen Art Malzsirup und Milch gebacken. Es ist süß, ölig, bleibt weich und riecht auch nach vielen Tagen unwiderstehlich. Traditionell wird es zu dünn aufgeschnittenem, in Salz gebeizten Lachs gegessen und ergänzt diesen wirklich besser als beinahe jedes andere Brot. Nur schwedisches Lussekatter kommt diesem nahe.
Finnische Brotvielfalt
Wieder völlig anders ist Rieska ein Fladenbrot, das aus Gerste oder Kartoffelmehl gebacken wird und fast schon an Indische Brotfladen erinnert. Es ist aber leicht zäh, ehrlich gesagt etwas gummiartig und sieht nicht besonders attraktiv aus. Nachdem ich mich daran gewöhnt hatte, wollte ich nicht mehr drauf verzichten - nicht nur, weil mein Nachname ähnlich klingt. Ich habe nur die charakteristischsten und bekanntesten der Finnischen Brote erwähnt, es gibt noch viele andere Sorten. Ganz allgemein kann man sagen, dass in Finnland Brot keine Gewürze enthält.
Süßes aus Weizen
Heute wird auch viel italienisch oder französisch inspiriertes Weißbrot angeboten und ist auch äußerst beliebt. Weißbrot im Sinne unserer Mehlspeisen ist Pulli – süßes Weizenbrot aus Germteig, ähnlich einer Brioche, das mit reichlich Kardamon gewürzt wird. Zu einer Art Kipferl gerollt und mit viel Zimt und Zucker gewürzt, heißt es Korvapuusti. Beide werden häufig zum Kaffee gegessen, der in Finnland gerne als schwach gerösteter Filterkaffee getrunken wird – das muss man mögen. Ob ihr es glaubt oder nicht, in keinem Land der Welt wird so viel Kaffee getrunken wie in Finnland. Ich finde Finnland ist kein großes Kaffee-Land, aber das Brot gehört (neben dem französischen Baguette) zu den besten, das ich bisher kennen gelernt habe.
Beitrag von Mischa Reska
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